Netting im Umgang mit länderspezifischen Auflagen

Coupa
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Einer der ersten Sätze, der fällt, wenn Treasurer über multilaterales Netting sprechen, ist „Netting geht bei uns nicht, weil es in [wichtige Niederlassung] nicht erlaubt ist“. Sie finden in jedem Unternehmen jemanden, der der Meinung ist, dass Netting aufgrund von nationalen Auflagen einfach unmöglich ist. Solche strengen Netting-Regeln und Reporting-Anforderungen gibt es wirklich. Tatsache ist jedoch, dass Netting in den meisten Ländern erlaubt ist. Mit ein bisschen Aufwand können Sie an all Ihren Firmensitzen Netting betreiben bzw. die Gesellschaften zumindest am Abstimmungsprozess beteiligen. Dennoch sollten Sie die verschiedenen Netting-Regelungen kennen und wissen, wie Sie diese Hürden überwinden.

Eine Kurzdefiniton von Netting

Netting bzw. „Intercompany-Netting“ bezeichnet den Abgleich und die Aufrechnung von konzerninternen Rechnungen zwischen zwei Parteien, woraus sich eine Endzahlung und ein Netto-Cashflow ergeben. Mit Blick auf die Finanzmärkte dient es grundsätzlich dazu, die Anzahl an Transaktionen zu minimieren und die tatsächlichen Zahlungspflichten mehrerer Vertragspartner herauszuarbeiten. Netting eignet sich für unterschiedliche Situationen, Teilnehmer und Zeiträume. Einen ausführlichen Überblick über Netting finden Sie hier.

Bilaterales Netting: Zwei Unternehmen mit gegenseitigen Zahlungsverpflichtungen stimmen ihre Rechnungen ab. Ein Unternehmen zahlt dem anderen den verrechneten Betrag.

Multilaterales Netting: Drei oder mehr Unternehmen verrechnen ihre Rechnungen über ein Netting Center.

Netting Bild

 

Warum gibt es Netting-Regelungen?

Aus Sicht von Regierungen ist es durchaus nachvollziehbar, gewisse Auflagen für Netting aufzustellen. Mit Netting können Unternehmen Geld übertragen, ohne dass tatsächlich Geld überwiesen wird. Genau darum geht es beim Netting. Unternehmen müssen nicht mehr riesige Beträge zwischen Tochterunternehmen hin- und herschieben. Stattdessen werden Salden miteinander verrechnet, und jeder darf sein Geld behalten, während Waren und Dienstleistungen gehandelt werden.  Dadurch ergeben sich Schlupflöcher, um nationale Regeln zu umgehen. Deshalb legen Regierungen Wert auf Regulierungen.

China beispielsweise schränkt Auslandsüberweisungen durch strenge Restriktionen ein. Netting bietet theoretisch eine Möglichkeit, dieses System auszutricksen. Um genau das zu verhindern, überwacht die chinesische Zentralbank alle Handelsgeschäfte und hat entsprechende Sanktionen und Gebühren aufgestellt.

Im Rahmen von Netting kann theoretisch auch Geldwäsche betrieben werden, da ausgelieferte Produkte mit Handelsgeschäften in anderen Ländern verrechnet werden können. Der Westen reagiert darauf verstärkt mit strengeren Kontrollen. Das ist tatsächlich eine sehr gute Vorgehensweise, da Netting alle Daten bereitstellt, die in Audits überprüft werden. Das vereinfacht den Prozess und macht Unstimmigkeiten leicht erkennbar.

Der letzte und wahrscheinlich häufigste Grund, warum Länder so hohe Auflagen stellen, ist Steuervermeidung durch Netting. Dies ist der am strengsten überwachte Aspekt von Netting, was sehr gut nachvollziehbar ist.

Selbstverständlich empfehlen wir niemandem die genannten Praktiken. Die bestehenden Gesetzgebungen sind hier ziemlich effektiv.

In welchen Ländern gibt es strenge Netting-Regeln?

Viele Länder haben strenge Regeln eingeführt, da Netting missbraucht werden kann. Was genau erlaubt ist, ist von Land zu Land verschieden. Wir sind zwar als Treasurer keine Rechtsexperten, aber aus unzähligen Gesprächen mit unseren Kunden wissen wir, was erlaubt ist und was nicht. Hier sind einige Beispiele:

  • In Brasilien, Malaysia, Südkorea, Chile und Indien ist Netting erlaubt, allerdings nur in der Ländeswährung.
  • In Südafrika ist Netting für Verbindlichkeiten oder für Forderungen erlaubt, aber nicht für beide gleichzeitig. Unternehmen, die südafrikanische Töchter einbinden möchten, sollten genau darauf achten, dass ihr Netting-Prozess das berücksichtigt.
  • Netting in China ist kompliziert, da die Regierung das Geld im eigenen Land behalten möchte. Dies wird von der Zentralbank überwacht. Sie sollten der Zentralbank daher jederzeit Einblick in Ihre Bücher gewähren können.
  • Das gleiche gilt für die meisten Staaten Osteuropas bzw. das Baltikum, Brasilien (auch hier wieder), Griechenland und Japan. Auch hier müssen Sie der Zentralbank Einblick geben.
  • In vielen Ländern – darunter Belgien, Kanada, Polen, Portugal, Litauen, Slowenien und der Slowakei – besteht beim Netting Meldepflicht.
  • In Russland und der Ukraine ist Netting nur auf Grundlage von Bruttoeinnahmen/Bruttoausgaben möglich.

Selbst wenn Netting erlaubt ist, heißt das noch lange nicht, dass es auch einfach ist bzw. sich für das Unternehmen tatsächlich lohnt. Ein engagierter Treasurer findet aber auf jeden Fall immer einen Weg. Wir haben z.B. mehrere Kunden mit Tochterunternehmen in Russland und der Ukraine, die Netting betreiben. China wird von vielen als hoffnungsloser Fall dargestellt. Aber auch hier berichtete ein Kunde stolz, dass er einen Weg gefunden habe, die Bürokratie zu umgehen (dies wird oft durch den Umweg über Hongkong gelöst) und das chinesische Tochterunternehmen vollständig einzubinden. Es ist sogar so, dass ein Viertel unserer Kunden in den letzten Jahren Netting an ihren chinesischen Standorten einführen konnte.

Was passiert, wenn Netting nicht möglich ist?

Es gibt einige wenige Fälle, wo Netting tatsächlich nicht erlaubt ist (mir fällt spontan nur Venezuela ein). Hier könnten Sie vielleicht versucht sein, die Flinte komplett ins Korn zu werfen. Aber obwohl Auflagen verhindern können, dass Tochterunternehmen am Netting-Prozess beteiligt werden, gibt es selten – wenn überhaupt – Regeln, die eine Beteiligung am Abstimmungsprozess ausschließen. Sie sollten nicht vergessen, dass Netting nicht nur Einsparungen durch weniger Transaktionen mit sich bringt, sondern dass auch der Abstimmungsprozess einen enormen Mehrwert beim unternehmensinternen Handel liefert. An diesem Abstimmungsprozess sind alle beteiligt, und es wird alles dokumentiert, wodurch ein reibungsloser Streitschlichtungsprozess gewährleistet ist. Dadurch haben Sie z.B. den Überblick, welche Unternehmen Schwierigkeiten bereiten und wo Kapitallücken bestehen. So können Sie den Liquiditätsbedarf genauer steuern und abschätzen. Selbst wenn Netting also tatsächlich nicht möglich ist, sollten Sie alle am Prozess beteiligen. Hier kommt virtuelles Netting ins Spiel, bei dem alle Beteiligten am Abstimmungsprozess teilnehmen – auch die, bei denen Netting nicht möglich ist.

Viele Unternehmen nehmen also für sich in Anspruch, dass sie kein Netting betreiben können, da dies an ihren Standorten nicht erlaubt sei. Tatsächlich ist es aber so, dass Netting mit gewissen Einschränkungen fast überall erlaubt ist. Und selbst wo Netting nicht möglich ist, bietet sich immer noch die Möglichkeit zum virtuellen Netting. Schlaue Treasurer nutzen daher alle diese Möglichkeiten, um sicherzustellen, dass der unternehmensinterne Verbindlichkeiten- und Forderungsprozess optimiert wird.


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