Ein neues Betriebsmodell für die Beschaffung, Teil 3: Technologien

Michael van Keulen
Michael van Keulen
Chief Procurement Officer, Coupa

Michael van Keulen (aka “MVK”), Coupa's Chief Procurement Officer, has been in finance and procurement for 20+ years at high growth global companies where he managed procurement transformations and digitized the procurement process, driving significant stakeholder value.  Michael is a procurement fanatic, passionate about elevating the role of procurement by applying best in class practices and enabling business spend management through the power of digitization.

Lesedauer: 10 mins
Ein neues Betriebsmodell für die Beschaffung, Teil 3: Technologien

In diesem letzten Teil unserer Artikelreihe erfahren Sie, wie Unternehmen ihr Beschaffungsmodell verändern müssen, um die Wertschöpfung zu beschleunigen und die Beschaffung in einen Wettbewerbsvorteil für die gesamte Organisation zu verwandeln.

In Teil 1 haben wir darüber gesprochen, dass die Beschaffung ihre PROZESSE optimieren muss, um ein agileres, effizienteres und proaktiveres Supportmodell zu schaffen. Thema von Teil 2 war unsere wichtigste Ressource – die BELEGSCHAFT. In diesem Zusammenhang haben wir den Bedarf an einer Vielfalt von Talenten hervorgehoben, die über hohe emotionale Intelligenz und starke Projektmanagementfähigkeiten verfügen, um die Wertschöpfung durch Innovation und funktionsübergreifende Zusammenarbeit zu maximieren.

In diesem letzten Artikel liegt der Fokus nun auf den TECHNOLOGIEN. Wir werden die entscheidenden Faktoren benennen und erklären, warum Technologien ein Erfolgsfaktor für Beschaffungsorganisationen der nächsten Generation sind. Obwohl die Technologie eine grundlegende Komponente des zukünftigen Beschaffungsmodells ist, stehen viele Beschaffungsorganisationen noch ganz am Anfang ihrer technologischen Entwicklung. Dabei kann die Beschaffung nur in einem optimalen technologischen Umfeld Best-Practices für strategisches Sourcing umsetzen und die Wertschöpfungskette optimal ausrichten (die 4 Stufen der Beschaffungsreife).

Bereits zweimal konnte ich an der Auswahl einer Source-to-Pay-Plattform mitwirken und möchte Sie hier an meinen persönlichen Erfahrungen und gelernten Lektionen teilhaben lassen.

Sich einen Platz am Verhandlungstisch sichern

Die Beschaffung ist bestens in der Lage, relevante Produkte und Services zu finden und komplexe geschäftliche Herausforderungen zu lösen. Worin wir aber weniger gut sind: für uns selbst Ressourcen einfordern.

Peers aus der Branche fragen mich oft, wie man sich Investitionen in Technologien sichert und wie ich es geschafft habe, die Digitalisierung des BSM-Prozesses (Business Spend Management) gegenüber anderen strategischen Investitionen zu priorisieren. Ich erklären ihnen dann, dass wir aufmerksam und strategisch folgende wichtige Fragen beantworten müssen:

  • Wozu brauchen wir Digitalisierung?
  • Wie kann sie zur Umsetzung der strategischen Unternehmensziele beitragen?
  • Warum ist sie für das Unternehmen, die Beschaffung, das Finanzwesen und die IT wichtig?
  • Warum sollte die Beschaffung und nicht etwa die IT oder das Finanzteam über die Auswahl einer BSM-Plattform entscheiden?
  • Warum sollte die Beschaffung die BSM-Strategie antreiben?
  • Wer profitiert am meisten von einem digitalisierten BSM?
  • Mit welcher Plattform wird der höchste ROI/die breiteste Akzeptanz und der beste Mehrwert erzielt?

In meinen Funktionen bei Lululemon und bei der VF Corporation (die mit gängigen ERP-Systemen arbeiten) habe ich enge Partnerschaften zu den IT-Abteilungen aufgebaut. Die Führungskräfte waren stets offen für den Bedarf des Unternehmens, anstatt ihre eigenen Vorstellungen durchsetzen zu wollen. So konnten die üblichen Probleme rund um die „Einheitslösung“ und die suboptimalen Tools von ERP-Anbietern reduziert werden. Stattdessen richteten wir den Fokus weiter auf Wertsteigerung, bewährte Verfahren, Produktvision, eine End-to-End-Lösung und vor allem auf die Anwenderfreundlichkeit.

Leider überlassen viele Beschaffungsprofis diese wichtigen Entscheidungen anderen, da sie die Vorteile ihrer bevorzugten Lösung nicht formulieren können. Manchmal entscheiden sie sich allein auf Anraten der IT für eine Plattform oder verzichten auf Funktionen, wenn Finanzteams und die Kreditorenbuchhaltung der AP-Automatisierung gegenüber einer umfassenden Vision Priorität einräumen. Es wird eine Lösung eingekauft, die zwar ein Problem behebt, welche aber zugleich mehrere vor- und/oder nachgelagerte Probleme schafft. Die bereitgestellten Tools können in diesem Fall nicht alle Anforderungen erfüllen, weil eine kleine Gruppe Entscheidungen im Alleingang fällt und dabei den Bedarf an einem Änderungsmanagement ebenso ignoriert, wie die Einbeziehung einer wichtigen Gruppe – die Nutzenden.

Ich bin fest davon überzeugt, dass nicht die IT oder die Finanzteams, sondern die Beschaffung bei der Auswahl einer BSM-Plattform tonangebend sein sollte. Der CPO (oder eine andere Führungskraft in der Beschaffung) sollte den Prozess leiten und sich mit dem CFO, dem CIO und anderen funktionsübergreifenden Führungskräften eng abstimmen.

Wie Sie als Leser vielleicht bereits bemerkt haben, ziehe ich häufig Parallelen zum Autokauf. Fragen Sie sich selbst: Würden Sie den Autokauf Ihrem Nachbarn überlassen und dafür nur ungenaue Kriterien vorgeben? Würden Sie sich für ein günstigeres Auto mit technischen Defekten entscheiden, das mehr Wartung und/oder Reparaturen erforderlich macht? Würden Sie ein Auto kaufen, das doppelt so viel Benzin verbraucht oder weniger sicher ist (den 1967 Mustang Shelby GT500 einmal ausgenommen)?

Wenn wir die Auswahlkriterien festlegen, sollten wir dabei alle wichtigen funktionsübergreifenden Partner miteinbeziehen. So wird sichergestellt, dass relevante Kriterien mit den tatsächlichen Einschränkungen definiert werden und die Systemimplementierung viel reibungsloser durchgeführt werden kann. Dabei sollte ein gemeinsamer Ansatz verfolgt werden, anstatt dass die Beschaffung im Alleingang und ohne Einbeziehung der Betroffenen loslegt. Wir wollen, wie gesagt, die Beteiligten mit ins Boot holen, müssen das Boot aber selber steuern.

Angesichts der Ereignisse in den vergangenen 12 Monaten verfügt die Beschaffung nun über das politische Kapital, um sofort und uneingeschränkt zur Umsetzung überzugehen.

Denn dies ist der beste Zeitpunkt, um solche Änderungen in die Wege zu leiten. Angesichts der Ereignisse in den vergangenen 12 Monaten verfügt die Beschaffung nun über das politische Kapital, um sofort und uneingeschränkt zur Umsetzung überzugehen.

Mutig für die eigene Sache einstehen

Die Beschaffung hat sich nur selten für die Deckung ihres Bedarfs eingesetzt, denn dazu braucht es Mut. Als Führungskraft können Sie für eine solche Entscheidung, die Sie verantworten und mit der Sie sich beispielsweise gegen den CIO stellen, Ihre Karriere aufs Spiel setzen.

Wenn sich neue Möglichkeiten für Digitalisierung bieten, wird die IT die Entscheidung direkt an sich ziehen, um die Integration, die Wartungskosten, die Datensicherheit sowie die Auswirkungen auf ihr Team identifizieren zu können. Es ist verständlich, dass die IT die Führungsrolle in diesem Bereich übernehmen will, und einer solchen Partnerschaft sollten wir offen gegenüber stehen

und unbedingt auf ihre Fragen und Bedenken eingehen! Da jedoch nur die Beschaffung den gesamten Geschäftsbedarf effektiv ermitteln und verstehen kann, können die kurz-, mittel- und langfristigen Ausgabenentscheidungen auch nur von uns getroffen werden.

Solchen Situationen bin ich anfangs bei VF Corporation und Lululemon häufig begegnet. Ein CIO entscheidet sich oft für die Implementierung von Technologien, die er bereits kennt. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um Lösungen von SAP oder Oracle, denn alle glauben, dass sie "nur einen Schalter drücken müssen" und alles wäre getan. Seit Jahrzehnten ist man überzeugt davon, dass die Vorleistungen geringer wären, während die Abonnementgebühren in einem größeren Vertragsgesamtwert verschleiert werden. Auf den ersten Blick erscheinen diese Lösungspakete also weniger kostspielig zu sein. Das Wertschöpfungspotenzial wird aber weitgehend gar nicht ausgeschöpft und auch diese Lösungen müssen in die eigenen Systeme integriert und implementiert werden. Die versteckten Kosten werden oft anderen Bereichen zugewiesen. Denken Sie daran, was ich in einem früheren Blogartikel erklärt habe:

„Wichtigste Regel eines CIOs: Verliebe dich nie in Software, denn dann wirst du zum Dinosaurier.“

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Sie Zugriff auf neue Funktionen haben, von denen Sie gar nicht wussten, dass Sie sie brauchen!

Fokus auf Wertschöpfung

Der CPO muss sich bemühen, die Erfolgsfaktoren zu verstehen und eine Vision des Enderfolgs vorzustellen. Er muss die geschäftlichen Anforderungen festlegen und unter anderem auch auf die Akzeptanz von Anwendern UND Lieferanten, den End-to-End-Prozess, die Speed-to-Value und die Systemintegration eingehen. Auch der Aufbau der verschiedenen Plattformen sollte erläutert werden, um mögliche Vorteile wie Zugriff auf echte gemeinschaftliche Intelligenz, Anwendung bewährter Verfahren und die Möglichkeit zur Zusammenarbeit über Unternehmen und Branchen hinweg aufzuzeigen. Die Beschaffung kann ihre Leistungen so ständig verbessern und kontinuierlich mehr Wert aus einer Plattform schöpfen.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der Sie Zugriff auf neue Funktionen haben, von denen Sie gar nicht wussten, dass Sie sie brauchen!

Ein CPO, der alle Anforderungen kennt, kann dem CIO selbstsicher gegenüber treten und ihn darüber informieren, was benötigt wird und vor allem, warum. Ein Beschaffungsexperte, der das schafft, kann sich auch gegenüber dem CFO und letztlich auch dem CEO behaupten und vertrauensvoll seine Karriere aufs Spiel setzen. Denn dieses Risiko gehen Sie ein: Wenn Ihre Empfehlung nicht funktioniert, werden Sie wohl Ihren Job verlieren.

Bei diesem Vorhaben ist es wichtig, dass Sie eine Due-Diligence-Prüfung durchführen und Vertrauen aufbauen, insbesondere bei der IT-Organisation. Dafür können Sie die Teams beispielsweise darüber informieren, was sie nach der Implementierung einer durchgängigen BSM-Lösung nicht mehr benötigen werden. Was zum Beispiel überflüssig wird, ist eine in Ihr ERP-System integrierte Scan-Engine. Integrationen müssen nicht mehr ständig von Mitarbeitenden konfiguriert und optimiert werden. Die Systemadministration und die Anpassung Ihrer Geschäftsprozesse werden erheblich vereinfacht, wie beispielsweise die Integration in Ihre Banksysteme. Alle Arbeitsabläufe von der Beschaffung bis zur Zahlung werden über eine Plattform ausgeführt, die skalierbar ist und weltweit geltenden Regeln und Vorschriften entspricht.

Da die IT in jedem Unternehmen zu den größten Ausgabenträgern gehört, wird sie auch einer der Hauptnutznießer sein, wobei sie jede Ausgabe im gesamten Unternehmen im Detail nachverfolgen kann.

Zum Schluss möchte ich Ihnen mein wichtigstes Auswahlkriterium verraten: Legen Sie den Fokus auf Wertschöpfung anstatt auf die Abogebühren. Denn natürlich ist es besser, wenn Sie Ihre Rendite für eine investierte Million USD verfünffachen können, anstatt mit 500.000 USD Ihre Rendite nur zu verdoppeln.

Fazit

Sich für eine Technologie zu entscheiden, ist immer ein Wagnis. Wir alle kennen Beispiele für fehlgeschlagene Implementierungen, die unsere Unternehmen Millionen gekostet haben und wegen Geschäftsunterbrechungen zu Ruf- und Wertverlusten führten. Um die richtige Entscheidung zu treffen, bedarf es Führungsstärke, einer klaren Vision, funktionsübergreifender Abstimmung und den Support der Vorstandsebene.

Bei der Auswahl einer BSM-Lösung empfehle ich Führungskräften in der Beschaffung dringend, die Zügel in die Hand zu nehmen und für die Auswahl der richtigen Plattform selbst Verantwortung (und Rechenschaft) zu übernehmen. Kontrollieren Sie den Prozess und verkaufen Sie sich nicht unter Wert, indem Sie suboptimalen Ergebnissen zustimmen, nur weil Sie den Wert oder die Bedeutung für das Unternehmen nicht richtig einschätzen können.

Und mal ganz ehrlich: Es wird schon seinen Grund haben, dass der brandneue Flitzer mit all dem Schnickschnack und der Spitzentechnologie nicht der günstigste Wagen auf dem Markt ist. Aber wenn Sie im Rennen vor Ihren Mitstreitern liegen wollen, ist und bleibt er einfach die beste Wahl!

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