Wann, warum und wie: So steigen Sie ins Warengruppenmanagement ein

Sean Park
Sean Park
Group Practice Lead, Procurement and Strategic Sourcing, Acquis Consulting Group, an accredited Coupa implementation partner

Sean Park's mission is to provide clients with strategy, organization design, process and implementation support.

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Zwei Geschäftsleute prüfen Daten

In kleineren Unternehmen läuft die Beschaffung meistens informell und transaktionsbezogen ab. Häufig ist jemand aus dem operativen Bereich oder ein Admin für den Einkauf zuständig. Es gibt kein Sourcing an sich. Die benötigten Artikel werden stattdessen einfach im Internet gesucht und gekauft. Und das ist auch völlig in Ordnung.

Wenn Unternehmen aber wachsen, merken sie oft, dass sie mit steigenden Ausgaben auch an Einfluss gewinnen. Aber wie lässt sich diese neu gewonnene Kaufkraft effektiv nutzen?

Bei näherer Betrachtung wird meistens klar, dass es von verschiedenen Geschäftseinheiten oder sogar von derselben Unternehmensgruppe zahlreiche Verträge mit demselben Lieferanten gibt. So hat die Finanzgruppe vielleicht Ernst & Young mit der Wirtschaftsprüfung und in einem gesonderten Vertrag mit der Buchhaltung beauftragt. Schnell stellt sich dann die Frage, warum die Kaufkraft nicht über diese Geschäftseinheiten und Bereiche gebündelt wird und wie die Beschaffung aussehen muss, damit das Unternehmen seinen Einfluss voll ausschöpfen kann.

Neun von zehn Consultants empfehlen …

In neun von zehn Fällen lautet die Antwort darauf: Führen Sie ein Warengruppenmanagement ein.

Was ist Warengruppenmanagement? Für mich ist es die Fähigkeit, die Bedürfnisse der internen Kundinnen und Kunden in einer Abteilung und/oder einer Kategorie zu kennen und basierend darauf ein Konzept zu entwickeln, mit dem Sie das beste Preis-Leistungs-Verhältnis von Ihren Lieferanten erhalten.

Stellen Sie sich vor, Sie sind im Bereich Konsumgüter tätig und haben zehn Marken in drei verschiedenen Lebensmittelkategorien. Arbeiten Sie für jede der zehn Marken mit einer anderen Werbeagentur zusammen? Mit jeweils einer Agentur für jede der drei Lebensmittelkategorien? Oder ist es sinnvoller, eine Agentur mit der Werbung für alle Ihre Artikel und Waren zu beauftragen? Diese Überlegungen sind der erste Schritt hin zum Warengruppenmanagement.

Bei einem Umsatz von 200 Mio. bis 1 Mrd. USD dürfte sich je nach Branche ein Warengruppenmanagement basierend auf den Ausgaben an Ihre Lieferanten rechnen. Die Vorteile liegen auf der Hand:

1. Bessere Preisgestaltung und/oder Konditionen. Fassen Sie Ihre Ausgaben zusammen und profitieren Sie so von günstigeren Preisen. Das können niedrigere Stückpreise sein, Rabatte oder auch bessere Zahlungsbedingungen. Vielleicht möchten Sie Ihre Rechnung lieber erst nach 60 statt nach 30 Tagen bezahlen. Oder, weil Sie viel Cash und eine effiziente Kreditorenbuchhaltung haben, eher ein Skonto von 2 % netto bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen in Anspruch nehmen.

2. Bessere Lieferantenleistung. Wenn Sie Lieferantenverträge aushandeln, anstatt Einkäufe am offenen Markt zu tätigen, können Sie Leistungskennzahlen und Bonus/Malus-Regelungen einführen. Das kann beispielsweise in Form einer Prämie für die Lieferung vor Fristablauf oder einer Vertragsstrafe nach dem Liefertermin geschehen. Sie sollten Ihre Lieferanten jedoch nicht in die Enge treiben, was für beide Seiten von Nachteil sein kann. Unter Umständen benötigen sie etwas von Ihnen, um optimal liefern zu können. Beide Parteien müssen sich darüber im Klaren sein, welche Bereiche nicht verhandelbar sind und wo es Spielraum gibt. Die Erwartungen müssen ebenso klar sein wie die Tatsache, dass jede Partei dafür verantwortlich ist, sie zu erfüllen.

3. Schnellere Bestell- und Rechnungsverarbeitung. Durch das Warengruppenmanagement werden die Abläufe standardisiert und beschleunigt. Warengruppenmanager sind in der Regel die ersten, die SOWs von Lieferanten einsehen. Da SOWs von mehreren Lieferanten eingehen, kennen sie die Anforderungen an Preise, SLAs und allgemeine Geschäftsbedingungen am besten und sind daher schneller in der Umsetzung.

4. Weniger Lieferantenverträge. Das Warengruppenmanagement dienst auch dazu, die Beziehungen zu einigen wenigen Lieferanten zu vertiefen. Das beschleunigt den Prozess und senkt den Verwaltungsaufwand in Bezug auf Risiken, neue Anbieter, Rechnungsprüfung usw.

5. Zufriedenere interne Kundinnen und Kunden. Warengruppenmanager sind als Marktexperten die Ansprechpersonen für alle Aspekte eines Projekts oder verwalteter Dienstleistungen. Sie erfassen die Anforderungen, holen Angebote ein und führen die Vertragsverhandlungen. Anderen Abteilungen bleibt so mehr Zeit für das Tagesgeschäft, was die Wertsteigerung für alle erhöht.

6. Bessere Lieferantenbeziehungen. Mit einem Warengruppenmanagement können Sie in Ihrem Organigramm zentrale Ansprechpartner festlegen, die auch in die Kontoverwaltung eingebunden werden, dort die Koordination übernehmen und spezifische Aufgaben an die Geschäftseinheit oder Funktionsebene delegieren. Die Kommunikation ist somit für alle eindeutig und effektiver, was die Beziehungen in der Regel insgesamt verbessert.

7. Höhere Ausgabentransparenz. Sind für eine Warengruppe mehrere Personen zuständig, kann keiner sagen, ob die gemeldeten Ausgaben korrekt sind, da nicht alle Verträge bekannt sind. Dann weiß niemand über alle Lieferanten und das gesamte Ausgabenvolumen Bescheid.

Das Warengruppenmanagement hat also viele Vorteile. Aber wann rechnet sich dieses Konzept NICHT für Sie? Bei einem Umsatz unter 200 Mio. USD werden Ihre Ausgaben wahrscheinlich nicht ausreichen, um von einem solchen Programm zu profitieren.

Auch wenn Ihre Geschäftseinheiten sehr unterschiedliche Waren benötigen und es keinerlei Überschneidungen gibt, lohnt sich ein Warengruppenmanagement eher nicht. Das kann bei einem Mischkonzern der Fall sein, in dem eine Einheit Parfüm und eine andere Stahl herstellt. Das klingt vielleicht ein bisschen weit hergeholt, aber ich kenne tatsächlich ein solches Unternehmen.

Wenn das Ausgabenniveau es hergibt, könnte dieser Konzern aber ein hybrides Modell mit Warengruppenmanagern für eine Geschäftseinheit und auf Konzernebene einrichten. Letztere würden sich dann um den Bürobedarf und Reparaturleistungen für beide Einheiten kümmern.

Natürlich gibt es Ausnahmen, aber in der Regel eignet sich ein Warengruppenmanagement auch für mittelständische Unternehmen. Es kann doppelte Arbeiten vermeiden und gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre steigende Kaufkraft vollständig auszuschöpfen. Mit einem eigenen Warengruppenmanagement lässt sich Ihr Mehrwert um bis zu 50 bis 60 Prozent steigern.

Erste Schritte

Wie fangen Sie am besten an? Sehen Sie sich zunächst einmal Ihre Daten an und ermitteln Sie die Höhe Ihrer Ausgaben für verschiedene Warengruppen. So stellen Sie fest, wo Ihre Kaufkraft am höchsten ist.

Sie haben bisher eher ad hoc und transaktionsbezogen gearbeitet? Dann wird dieser erste Schritt einige Zeit und diszipliniertes Vorgehen erfordern. Viele Unternehmen haben keine zuverlässigen Datenquellen. Durch Fusionen oder Übernahmen sind oft mehrere ERPs im Einsatz, so dass die Daten erst normalisiert und kategorisiert werden müssen.

Sobald Sie volle Ausgabentransparenz haben, können Sie die Warengruppen auswählen, mit denen Sie starten wollen, und sich überlegen, wie die Umsetzung aussehen soll. Ihnen stehen dabei verschiedene Konzepte zur Auswahl.

Eine Möglichkeit ist ein internes Modell, das alle Warengruppen abdeckt – mit Warengruppenmanagern auf Abteilungsebene, auf Unternehmensebene oder mit einer Mischung aus beidem.

Sie können den Vorgang insgesamt auch an ein Consulting-Unternehmen outsourcen. Oder Sie richten ein Flex-Modell ein, das die meisten Warengruppen intern abdeckt. Berater werden dann nur für Spot-Buys und weniger häufige Großeinkäufe hinzugezogen, für die sich die Festeinstellung von Fachexperten nicht lohnt. Welches Konzept letztlich ausgewählt wird, hängt ganz vom jeweiligen Unternehmen ab.

Das richtige Tool

Eines gilt aber in jedem Fall: Das Konzept sollte durch eine geeignete Plattform für das Ausgabenmanagement unterstützt werden, die die Tools, Dashboards, Daten und Informationen bereitstellt, die Sie zur Optimierung brauchen. Denn eine umfangreiche, manuelle Kategorisierung von Ausgaben möchte man nur einmal im Leben durchführen.

Ohne das richtige Tool werden in der Regel nur etwa 60 % der Ausgaben einer bestimmten Warengruppe erfasst, weil die anderen 40 % nicht oder falsch kategorisiert sind oder der Warengruppenmanager nicht einmal weiß, dass es sie gibt.

Das Konzept wird sich kurzfristig rentieren. Auf lange Sicht aber kann ein starkes Warengruppenmanagement mit den richtigen Tools und Daten für die Manager zu einem strategischen Asset werden – und für den Geschäftserfolg mittelständischer Unternehmen entscheidend sein.