Die Bedeutung von ESG für Unternehmen und aktuelle ESG-Bestimmungen

Abigail Myers-Antiaye
Abigail Myers-Antiaye
Senior Product Compliance Manager, Coupa

Abigail Myers-Antiaye is Coupa’s Senior Product Compliance Manager. After receiving her Law LLB (Hons) Degree from University of Nottingham, she studied the Legal Practice Course (LPC) at BPP University London in Holborn. For over five years, she has worked in Product Compliance with a specific focus on Invoicing and Global Indirect Tax Compliance, and has significant experience with helping companies understand and implement invoicing solutions in line with indirect tax rules.

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Die Bedeutung von ESG für Unternehmen und aktuelle ESG-Bestimmungen

Was ist ESG eigentlich? Und lässt sich unser ESG-Einfluss als Unternehmen irgendwie messen?

Das Thema ESG ist mittlerweile bei Privatpersonen und Unternehmen angekommen und aus der Diskussion nicht mehr wegzudenken. Die Abkürzung ESG setzt sich aus den folgenden drei Buchstaben und den damit bezeichneten Bereichen zusammen:

Environmantal = Umwelt: Bewertet die Leistung eines Unternehmens im Hinblick auf den Umweltschutz;
Social = Soziales: Untersucht die Beziehung eines Unternehmens zu internen und externen Stakeholdern; und
Governance = Unternehmensführung: Bewertet Führungsqualität, Managergehälter, interne Kontrollen und Aktionäre eines Unternehmens.

Forbes hat ESG 2021 in einem Bericht so erklärt: „Veranschaulicht, wie ein Unternehmen Risiken und Chancen erkennt und misst, und zeigt dessen moralische Wertvorstellungen auf. Solche messbaren Erwägungen bringen sowohl externen Partnern und Investoren als auch der Unternehmensleitung bei strategischen Entscheidungen einen Nutzen.“

Dieser Artikel widmet sich der Frage, wie Länder versuchen, innerstaatliche Sozial- und Umweltziele zu erreichen, indem sie Unternehmen per Gesetzgebung verpflichten, ihre eigenen Verfahrensweisen und die sämtlicher Lieferketten einer Sorgfaltsprüfung zu unterziehen.  Neben Verpflichtungen dieser Art und dem Willen der Unternehmen selbst, das Richtige zu tun, ist das Thema ESG auch für Investoren ein Schlüsselfaktor. Daher betrifft es alle Unternehmen, unabhängig davon, ob sie eine Verpflichtung eingegangen sind oder nicht.1

Wie Unternehmen an das Thema ESG herangehen, lässt sich an unterschiedlichsten Faktoren messen, zum Beispiel:

  1. Klar festgelegte interne Richtlinien, in denen Ziele und Strategien des Unternehmens im Bereich Umwelt und Soziales dargelegt werden;
  2. Dokumentation und Veröffentlichung eventueller ESG-Verstöße; und 
  3. Klare interne Vorgehensweise im Umgang mit ESG-Verstößen.

Da es immer mehr Vorschriften zu diesem Thema gibt, liegt es nicht länger allein im Ermessen der Unternehmen, wie sie ihre ESG-Performance messen. Vielmehr müssen sie in bestimmten Fällen konkrete Bestimmungen einhalten, die ganz bestimmte Sorgfaltspflichten und wiederkehrende Meldepflichten vorschreiben.

Wichtige ESG-Vorschriften der vergangenen zehn Jahre

California Transparency in Supply Chains Act: Dieses Gesetz wurde 2010 verabschiedet und trat am 1. Januar 2012 in Kraft. Es richtete sich an bestimmte Gruppen von in Kalifornien tätigen Einzelhändlern und Herstellern mit einem weltweiten Jahresumsatz von mehr als 100 Mio. Dollar. Diese mussten damit offenlegen, wie sie in ihren direkten Lieferketten gegen Sklaverei und Menschenhandel vorgehen.  Die Meldepflichten deckten fünf Bereiche ab: 

  1. Überprüfung – Führt das Unternehmen in seiner Lieferkette Sorgfaltsprüfungen durch, um Risiken im Hinblick auf Menschenrechte zu bewerten und dagegen vorzugehen? 
  2. Audits – Überprüft das Unternehmen seine Lieferkette im Hinblick auf die Einhaltung von Richtlinien? 
  3. Zertifizierungen – Fordert das Unternehmen von direkten Lieferanten Nachweise über die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften ein?
  4. Rechenschaftspflicht – Gelten im Unternehmen Standards und Verfahren für Mitarbeiter/Auftragnehmer, die gegen Vorgaben verstoßen? 
  5. Fort- und Weiterbildung – Bietet das Unternehmen Schulungen zum Thema Menschenhandel und Sklaverei an? 

Dies war weltweit eines der ersten Gesetze für mehr Transparenz in Lieferketten und Kalifornien der erste US-Bundesstaat, in dem eine solche Gesetzgebung eingeführt wurde.

Uyghur Forced Labor Prevention Act 2021 (UFLPA): Dieses amerikanische Bundesgesetz, das am 21. Juni 2022 in Kraft treten wird, verbietet „alle Waren, Güter, Artikel und Handelswaren, die ganz oder teilweise“ im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang (XUAR) in China oder von bestimmten Gesellschaften in dieser Region abgebaut, produziert oder hergestellt werden, da dabei Zwangsarbeit eingesetzt wird. Unternehmen, die Waren aus dem uigurischen Gebiet nutzen, sind daher verpflichtet nachzuweisen, dass diese Waren ohne Einsatz von Zwangsarbeit hergestellt wurden.

Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG): Das LkSG wurde 2021 vom Deutschen Bundestag beschlossen. Es tritt am 1. Januar 2023 für in Deutschland ansässige Unternehmen und Unternehmen mit einer Zweigniederlassung in Kraft, die mindestens 3.000 Mitarbeiter beschäftigen. (Ab dem 1. Januar 2024 wird es auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten ausgeweitet.) Das LkSG ist zwar nicht das erste ESG-Gesetz, aber es stellt dennoch einen Meilenstein dar. Denn Deutschland ist damit das erste Land, das mit einem einzigen Gesetz eine ganze Reihe von Risikobereichen (Umwelt, Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Versammlungsfreiheit) in der gesamten Lieferkette abdeckt, während bisher nur direkte Lieferanten betroffen waren.

Entwurf der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (Proposal for a Directive on Corporate Sustainability Due Diligence): Auch wenn diese Richtlinie noch nicht endgültig ist, deutet der jüngste im Februar 2022 veröffentlichte Vorschlag darauf hin, dass sie ähnlich wie das LkSG eine ganze Reihe von Risikobereichen abdecken und sich der Anwendungsbereich auf mehr Unternehmen erstrecken wird. Folgende Gruppen sind betroffen:

  1. Gruppe 1: alle Gesellschaften mit beschränkter Haftung innerhalb der Europäischen Union mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mindestens 150 Mio. EUR weltweit;
  2. Gruppe 2: andere Gesellschaften innerhalb der EU mit mehr als 250 Beschäftigten, die in bestimmten ressourcenintensiven Branchen tätig sind und weltweit einen Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR erwirtschaften; und
  3. Gruppe 3: in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten, die innerhalb der EU einen Umsatz in Höhe von Gruppe 1 und 2 erwirtschaften.

Diese Richtlinie sollte ursprünglich im Juni 2021 eingeführt werden, wurde dann aber auf unbestimmte Zeit verschoben. Daraufhin entschied sich Deutschland, den Vorstoß zu wagen und seine nationalen ESG-Ziele nicht länger hinauszuzögern. Inzwischen steht der Entwurf dieser Richtlinie wieder ganz oben auf der Tagesordnung der Europäischen Kommission. Sobald die Richtlinie angenommen wurde, haben alle 27 Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.

Trends

Obwohl ESG-Gesetze an sich nichts Neues sind, gibt es derzeit einen internationalen Vorstoß für gesetzliche Regelungen, die ein breites Spektrum an Risiken sowie die gesamte Liefer- und Wertschöpfungskette berücksichtigen. Beispiele dafür sind das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der Entwurf für eine EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen.

Wie geht es weiter?

Betrachtet man die Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg, wird klar, dass die Länder in gewisser Weise zwar auf ein gemeinsames Endziel zusteuern, jedes Land jedoch einen anderen Ansatz verfolgt. Für Unternehmen bedeutet dieser Flickenteppich aus Vorschriften, dass sie sich mit ihren Lieferketten auseinandersetzen müssen. Und sie brauchen eine rationale Herangehensweise an die unterschiedlichen Gesetzgebungen. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich jedes erlassene Gesetz auch ändern kann.

Wie bereits erwähnt, müssen alle 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitspflicht von Unternehmen nach ihrer Verabschiedung in nationales Recht umsetzen. Außerdem kann es passieren, dass Deutschland sein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz ändern muss, da es vor der EU-Rechtsvorschrift eingeführt wurde. Das Compliance-Team von Coupa überwacht alle für unsere BSM-Community relevanten Bestimmungen in Echtzeit, um Kunden bei der Einhaltung der Compliance-Anforderungen zu unterstützen.

Die ESG-Gesetzgebung entwickelt sich kontinuierlich weiter. Deshalb ist es wichtig, dass Unternehmen den Änderungen, die sich auf ihre Abläufe, Meldepflichten und ihr Image in der Öffentlichkeit auswirken könnten, immer einen Schritt voraus sind.


Quellen:

1Why is ESG important for companies and investors?, Plan A Academy, 13. Juli 2021 (auf Englisch).