Ein Überblick über die Regulierung des US-amerikanischen Finanzsektors und dessen Geschichte

Coupa
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Eine schier unübersichtliche Vielzahl an Gesetzen, Auflagen und Vorschriften bestimmt den US-amerikanischen Finanzsektor. Dahinter steht eine lange und komplexe historische Entwicklung, geprägt von konträren Ideologien und Reaktionen auf Finanzkrisen. In unserer neuen Blog-Serie beschäftigen wir uns mit verschiedenen Aspekten dieses regulatorischen Rahmens, darunter wichtigen Vorschriften, Institutionen, der Struktur des Bankwesens – und natürlich auch mit dem berühmt-berüchtigten Scheck und der Frage, warum sich dieser in den USA nach wie vor so großer Beliebtheit erfreut. In diesem ersten Beitrag geben wir einen Gesamtüberblick über das US-Finanzsystem sowie die wichtigsten Gesetze und Vorschriften. Darüber hinaus setzen wir uns damit auseinander, wie aus den Idealen eines revolutionären Zeitalters letztlich ein System entstand, das systemischen Problemen gegenüber machtlos erscheint.

Ein kurzer Überblick über das US-Bankensystem

Viele der internationalen Finanzkrisen in den letzten Jahrzehnten gingen direkt von den USA aus, wodurch teilweise der Eindruck eines komplett unregulierten Systems entstand. Gleichzeitig gab es mehrere groß angelegte Initiativen zur Regulierung von Finanzinstitutionen, und die Regulierung des Bankwesens hat durchaus einen prominenten Platz auf der politischen Agenda. Allerdings gibt es in den USA historisch bedingt eine tief sitzende Skepsis gegenüber zentralisierten Vorgaben. Daraus entwickelten sich verschiedene Institutionen, die parallel einzelne Problematiken unterschiedlich angehen, anstelle dass das System grundlegend und vollständig verändert würde.

1789 – Gründung des “Department of the Treasury”, des US-Finanzministeriums

1791 – Gründung der First Bank, Schließung 20 Jahre später im Jahr 1811 nach Widerstand durch die Föderalismus-Gegner

1799 – Thomas Jefferson gründet die „Democratic-Republican Party“. Eines der Hauptanliegen: Ablehnung einer Zentralisierung der Banken

1816 – Gründung der „Second Bank“. Die Gründung spielte bei der Wiederwahl Andrew Jacksons zum Präsidenten eine große Rolle, der einem zentralisierten Bankensystem ablehnend gegenüberstand. Bis zur Schließung im Jahr 1841 handelte es sich zudem um die finanzstärkste Institution der Welt

1863 – Der Kongress verabschiedet den „National Bank Act“ (ein zweiter folgte 1964) und begründet damit ein zweigliedriges Bankensystem sowie eine Landeswährung. Darüber hinaus wurde das sog. „Office of the Comptroller of the Currency” (OCC) als Teil des Finanzministeriums, des Department of the Treasury, gegründet.

1907 –Panik an der Wall Street. Den Banken geht das Geld aus, und das US-Bankensystem bricht fast zusammen. J.P. Morgan hilft aus, und der Ruf nach mehr Regulierung wird laut. Es gibt erste Pläne für das sog. „Federal Reserve System“, die zentrale Notenbank der USA.

1913 – Der „Federal Reserve Act“ wird verabschiedet und die Notenbank gegründet.

1929 – Börsencrash und in der Folge die „Great Depression“, die Weltwirtschaftskrise.

1932 – Verabschiedung des „Glass-Steagall Act“, der der Notenbank mehr Macht verleiht.

1933 – Der „Banking Act“ von 1933 erweitert den „Glass-Steagall Act“ und begründet den Einlagensicherungsfonds „Federal Deposit Insurance Corporation“

1934 – Mit dem „Securities Exchange Act“ entsteht die „Securities and Exchange Commission“ (SEC), die US-Börsenaufsichtsbehörde, die weitere Auflagen für den Sekundärhandel mit Wertpapieren einführt. Der „Federal Credit Union Act“ wird unterschrieben und begründet das „Bureau of Federal Credit Unions“, eine Aufsichtsbehörde für Kreditgenossenschaften. Daraus entstand später die „National Credit Union Administration“

1936 – Der „Commodity Exchange Act“ wird verabschiedet und begründet die „Commodity Futures Trading Commission“ (CFTC), eine unabhängige Behörde zur Regulierung der Future- und Optionsmärkte

1940 – Der “Investment Company Act” (oder Company Act bzw. ‘40 Act) wird verabschiedet und regelt Investmentfonds und geschlossene Fonds. Gleichzeitig wird der „Investment Advisor Act“ konzipiert, um Investmentberater besser zu überwachen und entsprechende Auflagen zu stellen. Die Börsenaufsichtsbehörde erhält die entsprechende Zuständigkeit

1999 – Der „Glass-Steagall Act“ wird aufgehoben, um den Finanzmarkt zu stärken und auf internationaler Bühne wettbewerbsfähiger zu machen. In der Politik ist heftig umstritten, ob diese Maßnahme Wirkung zeigte

2008 – Der Zusammenbruch des Marktes für forderungsbesicherte Wertpapiere und strukturierte Kreditprodukte (CDO) führt zu einer schweren Rezession. Wieder wird der Ruf nach verschärfter Regulierung laut

2010 – Der „Dodd–Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act“ wird verabschiedet. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Gesetz, das einschneidende Änderungen für die Finanzaufsicht in den USA bringt. Der “Financial Stability Oversight Council”, das Office of Financial Research und das “Consumer Financial Protection Bureau” werden gegründet.

Das Aufsichtssystem in den USA:

Vielzahl an Aufsichtsbehörden

Wie bereits oben erwähnt, gibt es in den USA traditionell statt einer Aufsichtsbehörde mit Zuständigkeit für viele verschiedene Finanzmärkte, -aktivitäten und -institutionen viele verschiedene Aufsichtsbehörden, die jeweils für eine bestimmte Art von Finanzauflagen zuständig sind.

Bei diesen Auflagen geht es oft entweder um größere Umsichtigkeit oder um die Offenlegung von Informationen. Bankauflagen beispielsweise zielen meist auf Umsichtigkeit ab, während für Unternehmensentscheidungen Sicherheit und solide Geschäftspraktiken moniert werden. Gleichzeitig müssen sich Unternehmen, die öffentlich Wertpapiere verkaufen, bei der Börsenaufsichtsbehörde melden und wesentliche Risiken angeben.  Solche Meldungen garantieren aber nicht, dass es sich um eine vernünftige Investition handelt, sondern lediglich, dass die wesentlichen Risiken offengelegt wurden. Organisationen wie die „Commodity Futures Trading Commission“ (CFTC) fungieren als Aufsichtsbehörde für den Handel an Terminbörsen, die zur Selbstregulierung verpflichtet sind.

In diesem Modell sind teilweise mehrere Behörden zuständig, da es für Unternehmen sowohl auf Transaktionsebene als auch auf Institutionsebene Auflagen gibt.

Das hat teilweise zu Schwierigkeiten geführt. Als beispielsweise die Risikomanagement-Abteilung von JPMorgan hohe Verluste beim Handel mit komplexen Derivaten einfuhr, verlangte die Öffentlichkeit nach Aufklärung, welche Behörde zuständig gewesen und was schiefgelaufen sei. Allerdings waren für unterschiedliche Teilaspekte unterschiedliche Behörden zuständig. Für Einlagen war das OCC zuständig, die Notenbank für die Holdinggesellschaft, für den Aktienhandel die Börsenaufsichtsbehörde, für den Handel mit Derivativen die „Commodity Futures Trading Commission“, und der Einlagensicherungsfonds war beteiligt, da es sich um eine versicherte Hinterlegungsstelle handelt.

Genau solche Situationen haben dazu geführt, dass wieder vermehrt nach einer systemisch-inhärenten Lösung verlangt wird. Der „Dodd-Frank Act“ begründete den „Financial Stability Oversight Council“, der als permanente Aufsichtsbehörde systemische Risiken überwacht. Aufsichtsbehörden wurden konsolidiert und der Verbraucherschutz gestärkt, letzterer dank des neuen „Consumer Financial Protection Bureau“. Darüber hinaus sind CFTC und Börsenaufsichtsbehörde nun die Instanz für große Derivatehändler.

Murphy (2015) bietet folgende hilfreiche Übersicht:

Übersicht über Finanzaufsichtsbehörden

Bankenaufsicht   Wertpapiere und Derivate​ Andere Finanzaktivitäten Koordinierung
Office of the Comptroller of the Currency (OCC) Securities and Exchange Commission (SEC) Federal Housing Finance Agency (FHFA) Financial Stability Oversight Council (FSOC)
Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) Commodities Futures Trading Commission (CFTC) Consumer Financial Protection Bureau (CFPB) Federal Financial Institutions Examinations Council (FFIEC)
National Credit Union Administration (NCUA)     President’s Working Group on Capital Markets (PWG)
Federal Reserve Board (FRB, or the Fed)      

 

Chart Credit: “Table 1. Federal Financial Regulators and Organizations”, Who Regulates Whom and How? An Overview of U.S. Financial Regulatory Policy for Banking and Securities Markets, Murphy, E., Congressional Research Service, 30. Januar 2015 https://www.fas.org/sgp/crs/misc/R43087.pdf

In der nächsten Folge…

Im zweigleisigen Bankensystem, das mit dem „National Banking Act“ begründet wurde, gibt es sowohl kleinere Banken, die den Bundesstaaten unterstellt sind, als auch große Nationalbanken. Verschiedene Behörden und Gesetze sind für die offizielle Eintragung und Aufsicht dieser Banken zuständig. Für die Nationalbanken sind nationales Recht  und Behörden ausschlaggebend, für die staatlichen Banken die Staatsaufsicht.

Dadurch gibt es zwei parallele Aufsichtsstrukturen und von Staat zu Staat Unterschiede bei der Meldung von Krediten, bei den gesetzlichen Darlehensgrenzen und anderen Punkten.

Im zweiten Teil unserer Serie zur Einführung in die US-Finanzaufsicht für Treasurer in Europa beschäftigen wir uns näher mit dem zweigleisigen Bankensystem und dessen weitreichenden Auswirkungen auf das Corporate Banking.


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