Risiko-ABC: Risiko-Modelle & Kennziffern verstehen lernen

Coupa
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Der Alltag in einer Treasury-Abteilung: Für das Management-Reporting müssen Risk-Kennzahlen geliefert werden. Nur gut, dass das Treasury-System solche Kennzahlen zur Verfügung stellen kann. Schnell exportiert und ein kleiner Bericht generiert, schon ist die Kennzahl raus und das Thema erledigt. Zum entscheidenden Schritt, der Risikoanalyse und den aus der Kennzahl abgeleiteten Implikationen, kommt es oft nicht. Zeitmangel und mangelnde Kenntnis der Berechnungslogiken- und Methodik sind oft die Gründe, doch dem kann schnell Abhilfe geschaffen werden.

Es gibt eine Vielzahl von Ansätzen, die mit mathematischer Präzision und hoher Komplexität erklären, wie groß das Risiko im Treasury sein kann, beispielsweise der Value at Risk oder Cashflow at Risk. Auch Risikomanagement-Strategien – z.B. Hedging – und Analysemethoden– z.B. Szenarioanalyse – sind vielfältig und können komplex werden. Einige Unternehmen setzen diese Techniken zur Quantifizierung des Risikos mit Perfektion ein. Sie sind oft personell mit einem Risikoanalysten und damit einem regelrechten Experten für effiziente Analysen ausgestattet. Andere Unternehmen haben im Treasury keinen Risiko-Spezialisten – für sie ist insgesamt das Thema Risikomanagement eine Zusatz-Aufgabe, die im Treasury angesiedelt ist. Angesichts der vielfältigen Aufgaben der Treasury-Abteilung und der Komplexität dieser Modelle bleibt oft nicht genügend Zeit, um die Berechnungslogiken hinreichend zu verstehen. Die Konsequenz ist, dass entweder die Analyse nicht aussagekräftig genug ist und sie entsprechende relevante Maßnahmen gar nicht nach sich zieht oder dass sie gar zu Fehlentscheidungen führt.

Ein kleines Basis-Wissen zu Risikokennzahlen und Tools kann gerade solchen Unternehmen helfen, für die Risikomanagement bisher eher ein „Blinder Fleck“ war. Wie hedge ich mein Risiko sinnvoll? Wie berechne ich den Value at Risk in meinem Treasury-System und was sagt mir dieser Wert für meine Analyse? Wann und wofür sollte ich eine Szenarioanalyse einsetzen, wann hilft eine Zinssimulation? Diese Fragen beantwortet unser Experte Matthias Deschner in unserer Serie „Risiko-ABC“ – einfach verständlich und ohne tieferes finanzmathematisches Vorwissen vorauszusetzen.

Teil 1: Value at Risk – eine Standard-Kennziffer, die gar nicht so standardisiert ist

Der Value at Risk gilt als eine der Standard-Kennziffern, die im Risikomanagement und gerade im Reporting für das Executive Management immer wieder verlangt wird. Standard ist die Kennzahl in dem Sinne, dass sie in der Industrie regelmäßig zum Einsatz kommt. Dahinter verbirgt sich der Wert des maximalen Verlustes eines Portfolios, genauer gesagt gibt der Value at Risk an, welche Verlusthöhe innerhalb einer vorgegebenen Haltedauer mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nicht überschritten wird. Keinesfalls Standard ist die Berechnung hinter der Kennzahl, sondern sie lässt dem Treasurer einen gewissen Spielraum, Prämissen zu setzen. Zunächst muss er selektieren, für welche Geschäfte, welche Konten, Cashflows oder Liquiditätsplandaten er diesen Wert berechnen möchte und dabei auch entscheiden, ob er jedes Geschäft einzeln oder gruppierte Geschäfte analysieren möchte. Er kann also beispielsweise entweder für alle offenen Devisengeschäfte oder für einzeln ausgewählte Derivate berechnen, wie der maximale Wertverlust in einer bestimmten Haltedauer aussehen kann. Die zweite Entscheidung betrifft nun die Zeitdimension der Betrachtung: Für welche Haltedauer, für wie viele Handelstage soll der Wert ausgegeben werden. Ein dritter Punkt, der bei der Berechnung eine Rolle spielt, ist die vorgegebene Wahrscheinlichkeit. Hier können verschiedene Konfidenzniveaus gewählt werden, die gängigsten sind 90, 95 oder 99% – je nach Relevanz der Anlagen für das Gesamtgeschäft kann aber durchaus auch ein anderes Niveau sinnvoll sein, das sogar noch geringere Risikotoleranz ermöglicht. Darüber wird gesteuert, wie sicher also die Risikoberechnung ist: Bei Wahl eines Konfidenzniveaus von 95% gibt es also immer noch eine 5 prozentige Wahrscheinlichkeit, dass der Verlust noch höher als erwartet ausfällt. Dies sollte sich der Treasurer vorab bewusst machen – der Value at Risk ist immer noch in gewissem Maße eine „Black-Box“, die das Risiko nur quantifizierbarer macht, nicht jedoch einen festen, sicheren Wert liefern kann.

Grund dafür sind die verschiedenen Risikofaktoren, deren zukünftige Entwicklung nur prognostiziert, keinesfalls aber determiniert werden kann. Auch hier ist es wichtig, dass sich der Treasurer mit den wichtigsten dieser Einflussfaktoren auseinandersetzt: Beispielsweise spielen Zinsentwicklungen und -risiken, Kurse, Rohstoffpreise und möglicherweise auch andere Faktoren eine wichtige Rolle für die Wertentwicklung eines Geschäfts. Wird eine Value at Risk Berechnung von einem Treasury Management System unterstützt, dann lohnt es sich, genau zu schauen, welche dieser Faktoren beim Aufsetzen des Modells berücksichtigt werden. Dann kann auch die Zahl, die ausgegeben wird, sinnvoll interpretiert und eingesetzt werden – und ist mehr als nur eine Kennzahl, die fürs Management geliefert wird.

Nicht zuletzt soll auch in dieser Einführung zumindest ein kleiner Einblick in die entsprechende Berechnungsmethodik gegeben werden. Besonders häufig wird ein Varianz-Kovarianz-Ansatz angewendet: Die Varianz gibt dabei die prognostizierte Veränderung jedes einzelnen Risikofaktors an, die Kovarianz das Zusammenspiel, also die Wechselwirkung der jeweiligen Risikofaktoren. Beispielsweise beeinflusst die Veränderung der Zinsen in der Regel auch die Wechselkurse. Der Berechnungsansatz geht davon aus, dass die Entwicklung der Risikofaktoren normalverteilt ist und sich so aus historischen Daten für die Zukunft prognostizieren lässt. Auf Basis von historisch beobachteten Marktdaten (etwa zur Zinsentwicklung oder zu Wechselkursentwicklungen) werden Entwicklungslinien für die Zukunft hochgerechnet, die im Rechenmodell zum Einsatz kommen. Was heißt das für den Treasurer? Verlässliche und korrekt gepflegte historische Daten für diese Einflussfaktoren sind unerlässlich – denn das Ergebnis ist nur so gut wie die Qualität der zugrunde liegenden Daten. Habe ich im System keine Verläufe für die Zinsentwicklung oder keine Wechselkurs-Informationen, kann auch der Value at Risk kein aussagekräftiges und verlässliches Ergebnis liefern. Habe ich sichergestellt, dass meine Datenqualität gut ist, konsistente Informationen vorliegen, alle relevanten Faktoren im Rechenmodell vorhanden sind und meine Steuerungsgrößen Gegenstand, Haltedauer und Konfidenzniveau sinnvoll gewählt sind, dann erhalte ich auch einen Value at Risk, der überaus hilfreich für das Treasury sein kann. Er kann dann Einfluss auf die Liquiditätsplanung, und ggf. für Risikomanagement-Strategien, etwa ein Hedging haben. Auch kann er weiter verwendet und verfeinert werden: Ein wichtiger Aspekt kann beispielsweise sein, den Value at Risk für multiple Währungen zu berechnen, sowohl für Einzelgeschäfte als auch gruppiert zu berechnen und entsprechende Plausibilitätsprüfungen auf Basis vorhandener Cash-Positionen durchzuführen. So wird aus einer „Kennziffer“ ein aussagekräftiges und hilfreiches Tool zur Risikoanalyse, aus dem sich auch Handlungsempfehlungen ableiten lassen.

Mehr über Risikomanagement-Strategien und insbesondere das Hedging in unserem Teil 2 der Serie.


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