Probleme mit Überbeständen? Diese 5 Tipps können helfen

Dr. Madhav Durbha
Dr. Madhav Durbha
VP of Supply Chain Strategy, Coupa Software

Dr. Madhav Durbha is the Vice President of Supply Chain Strategy Coupa Software, where his team helps customers and prospects solve various supply chain challenges. Prior to Coupa, Dr. Durbha held positions at LLamasoft, Kinaxis, JDA Software and i2 Technologies, Inc. With more than 20 years in the supply chain industry, Dr. Durbha has broad experience in strategy & process consulting, supply chain software, program management, software application development & deployment, machine learning and data science. He received his Ph.D. in chemical engineering from the University of Florida and his bachelor’s degree in chemical engineering from the Indian Institute of Technology at Madras.

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Probleme mit Überbeständen? Diese 5 Tipps können helfen

In letzter Zeit hatten mehrere große Einzelhändler immer häufiger mit Bestandsproblemen zu kämpfen. Diese Probleme sind auf drei zentrale Faktoren zurückzuführen:

  1. Saisonartikel treffen später als geplant ein.
  2. Händler setzen häufiger auf Terminkäufe, um Sicherheitsbestände anzulegen.
  3. Die Nachfrage der Verbraucher hat sich angesichts der steigenden Inflation verlangsamt.

Dass Saisonartikel zu spät eintreffen, ist sicher ein spezielles Einzelhandelsproblem. Doch Sicherheitsbestände (oder Just-in-case-Bestände) und die schleppende Verbrauchernachfrage betreffen auch andere Branchen.

Bestandsprobleme sind kein Einzelfall

Die Halbleiterindustrie, die bisher immer als konjunkturabhängige Branche galt, steht vor einem Abschwung. Viele Unternehmen warnen vor einem Nachfragerückgang und verweisen auf gesunkene Ausgaben von Unternehmen und Verbrauchern. Dieses Bestandsproblem betrifft mehrere Branchen und Regionen und gibt weltweit Anlass zur Sorge. So lässt sich beispielsweise in China eine Zunahme der Lagerbestände beobachten. Dies ist auf die Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung zurückzuführen, deretwegen einige Regionen komplett abgeriegelt und Häfen geschlossen sind. Und auch in Europa gibt es Anzeichen für Überbestand aufgrund sinkender Nachfrage.

MEIO hat seine Grenzen

Angesichts dieser Entwicklung sind Unternehmen gefordert und müssen Ihren Bestand anpassen. Viele nutzen dafür die Multi Echelon Inventory Optimization oder kurz MEIO. Zwar kann MEIO helfen, die richtigen Bestandsstrategien und Lagerbestände festzulegen, aber die Möglichkeiten des Konzepts sind begrenzt. Werden vor- und nachgelagerte Strategien, die Bestände beeinflussen (etwa Richtlinien für Ausschreibungen, Produktion und Nachschub), nicht eingehend geprüft, und die Dynamik von Logistiknetzwerken nicht berücksichtigt, führt MEIO zu eher kurzsichtige Aktionen ohne nachhaltigen Nutzen.

5 Schritte für einen optimalen Lagerbestand

Die richtige Größe Ihres Lagerbestands ist nicht nur für die Logistik entscheidend. Sie kann auch helfen, Ihr Working Capital zu optimieren, Lagerflächen besser zu nutzen und das Personal für das Bestandsmanagement besser einzusetzen. All das mit möglicherweise besserem Service. Die folgenden Schritte helfen Ihnen dabei.

1. Veränderungen auf dem Markt erkennen und darauf reagieren

Die wirtschaftlichen Verhältnisse ändern sich rasant schnell. Hier sind Unternehmen gefordert und müssen auch externe Daten und Verbraucherpreisindizes, Zinssätze, die BIP-Entwicklung und andere makroökonomische Indikatoren einbinden, um Bedarfsprognosen mit geeigneten Sensitivitätsanalysen durchzuführen. Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Faktoren und die Reaktion der Verbrauchernachfrage darauf zu verstehen.

Wohl kein Unternehmen hat eine Glaskugel, die genau zeigt, was die Zukunft bringt. Aber die Modellierung verschiedener Bedarfsszenarien bietet eine Möglichkeit, um besser zu verstehen, wie gut oder schlecht die jeweiligen Bestandspläne unter sich ändernden Bedingungen funktionieren.

2. SKUs segmentieren und Leistungsziele festlegen

Wenn Sie das Verhalten der SKUs in Bezug auf Produktion, Standort und Kanal analysieren und verstehen, können Sie Ihren Bestand besser aufteilen und Leistungsziele präziser festlegen. So können beispielsweise SKUs in großer Stückzahl, aber mit wenig Variabilität algorithmisch auf die richtige Bestandsmenge angepasst werden, um ein hohes Leistungsniveau zu erreichen. Für die Verwaltung von „Lagerhütern“ eignen sich hingegen Erfahrungswerte und ein geringeres Leistungsniveau. Diese Artikel können möglicherweise sogar auf Bestellung produziert werden, wenn genügend Vorlaufzeit eingerechnet wird. Eine derart einfache Aufteilung kann bereits helfen, die richtigen Servicestrategien zu finden.

Zudem bieten sich auch Optimierungstechnologien an, um das Working Capital als Einschränkung zu berücksichtigen, die richtigen Leistungsstufen festzulegen und deren Sensitivität für verstärkte Bestandsinvestitionen auszutesten. Angenommen, Ihr CFO möchte die Bestandsinvestitionen um einen bestimmten Betrag erhöhen oder senken. Dann können Sie mithilfe von Technologie ermitteln, welche finanziellen Auswirkungen dieser Schritt hat und welches Leistungsniveau erreicht werden kann. Solche Sensitivitätsanalysen sind ideal, um zum richtigen Zeitpunkt Bestände richtig anzupassen.

3. Supply-Chain-Konzepte prüfen, die den Bestand direkt beeinflussen

Kürzlich erzählte mir die Managerin eines Batterieherstellers, dass die Beschaffung im Unternehmen aufgrund von Mengenrabatten Rohmaterial in einem Ausmaß besorgte, der den Platz in der Produktion knapp werden ließ. Das Problem war offensichtlich: Während die Leistung der Beschaffung anhand von Stückpreisen gemessen wurde, zielte die Produktion darauf ab, die nachgelagerte Nachfrage zu befriedigen. Eine Eskalation an die Unternehmensführung konnte hier helfen. Die Einkaufspraktiken wurden überprüft und wo nötig angepasst, um den Druck aus der Produktion herauszunehmen. Es ist ungemein wichtig zu wissen, dass sich Konzepte auf die vor- oder nachgelagerten Prozesse auswirken, denn nur so können Sie die richtigen Bestände festlegen.

Auch ein Produktionskonzept, bei dem die Effizienz der Ausstattung insgesamt im Vordergrund steht, kann bei nachgelagerten Prozessen zu Bestandsrisiken führen. Wenn beispielsweise die Produktion an einer Gesamtanlagenleistung von 85 % gemessen wird, kommt es dadurch eventuell zu weniger Umstellungen, was in einigen Warengruppen zu einem Überbestand, in anderen hingegen zu Engpässen führen kann. Auch die Nachschubhäufigkeit kann ein Faktor sein. Denn wird alle drei statt alle fünf Tage Nachschub an einen Kundenstandort geliefert, hat dies natürlich Auswirkungen auf den Lagerbestand. All diese Beispiele verdeutlichen, welchen Einfluss die jeweiligen Vorgaben auf den Lagerbestand haben können.

4. Bestandskonzepte gemeinsam mit der Gestaltung des Logistiknetzwerks überprüfen, dem die neuesten Marktdaten zugrunde liegen

Störungen sind heute kein Einzelfall mehr. Und dadurch sind auch Versorgungswege immer wieder beeinträchtigt. Vielleicht ist der Hafen, über den Produkte importiert werden, überlastet, sodass alternative Routen und Vertriebszentren berücksichtigt werden müssen. Wenn sich die Routen ändern, müssen sich auch die Bestandskonzepte und Lagerorte ändern.

Wenn wir Bestände und Kostenabwägungen mit anderen Faktoren wie etwa den Transportkosten vergleichen, ist es wichtig, aktuelle Marktpreise und Vorlaufzeiten zu kennen. Auch Schwankungen bei Angebot und Nachfrage und den Vorlaufzeiten sind wichtige Informationen für Ihr Bestandskonzept. Die Art und Funktion Ihres Lagerbestands will gut durchdacht sein. Und das sollte nicht nur für den Sicherheitsbestand, sondern auch für den Zyklusbestand gelten.

Das Logistiknetz kann nicht länger nur unregelmäßig und projektbezogen erstellt werden. Es muss immer wieder an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst werden und auch die Bestandskonzepte berücksichtigen. In einer Welt, die sich ständig verändert, ist es fahrlässig, die Symbiose zwischen diesen beiden zu ignorieren.

5. Bestandskonzepte einem Stresstest unterziehen

Ihre mit den oben beschriebenen Schritten festgelegten Bestandskonzepte sollten Sie dann unbedingt mit Stresstests auf Herz und Nieren prüfen. Dafür verwenden Sie Szenarienplanung und simulieren einzelne Vorfälle. Die Szenarienplanung ist ideal, um verschiedene Möglichkeiten und Strategien für die Bestandsverwaltung zu ermitteln. Simulationen separater Vorfälle eignen sich, um die Stabilität und Belastbarkeit der Bestandsempfehlungen auf den Prüfstand zu stellen. Bestandsziele ohne solche Stresstests zu optimieren, kann angesichts der zahlreichen Unwägbarkeiten auf der Welt für Unternehmen gefährlich werden.

Mit den Empfehlungen oben sind Sie bestens gerüstet und können Ihre Bestände effektiv verwalten.

Die richtigen Bestandsmengen als Wettbewerbsvorteil

Neben diesen Schritten gibt es auch taktische und betriebliche Maßnahmen, mit denen Unternehmen aktiv werden können. So können Bestandsprobleme auch durch eine aktive Gestaltung der Nachfrage, etwa mit dynamischer Preisermittlung, gezielten Aktionen und Preisabschlägen, in Angriff genommen werden. Die richtigen Bestandsmengen zu finden, ist keine reine Spielerei aus dem Kostenmanagement. Aber mit den richtigen Bestandsstrategien sind Unternehmen gewappnet und können die nächste Welle an Problemen sicher umschiffen.

Sie möchten Ihre Bestände besser verwalten und Überbestände beseitigen? Wir beraten Sie gerne!

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